Wurst und Wakeboard

HANDWERK Joachim Buttgereit ist mit 20 einer der jüngsten deutschen Fleischermeister

Wurst und Wakeboard Quelle: MAZBABELSBERG | Joachim Buttgereit hat es geschafft. Nach einer dreimonatigen Ausbildung in Frankfurt am Main hat der Babelsberger jetzt die Meisterprüfung als Fleischer bestanden.Das war eine ziemlich harte Zeit für den jungen Mann. „Wir hatten von 8 bis 18 Uhr Unterricht, sechs Tage die Woche. BWL, Buchführung, Arbeits- und Sozialrecht und vieles mehr", erzählt der 20-Jährige. Doch der Intensivkurs hatte auch sein Gutes: Es blieben kaum Lust und Kraft für Ablenkungen, er hat sich voll auf die Schule konzentriert und durchgezogen.

 

Vor allem die letzten beidenWochen seien stressig gewesen, sagt er. Da hatte er pro Tag drei Prüfungen zu bestehen. Die praktischen fanden in Handwerksbetrieben der Mainmetropole statt. Buttgereit musste unter anderem einen Rollbraten binden, wo es auch darauf ankommt, dass die Knoten exakt in Reih und Glied sitzen. Bei der Wurst hätten Luftlöcher Punktabzug gebracht und bei kalten Platten eine lieblose Deko.

 

Nicht alle aus dem Lehrgang konnten den Meisterbrief mit nach Hause nehmen. Das macht Vater Dirk Buttgereit, seit dem Millenniumsjahr Chef der Fleischerei Schlieter in der Garnstraße, stolz auf den Sohn. Zumal an der Frankfurter Schule nicht jeder angenommen wird, erst nach einem Test. Er erinnert sich noch gut an seine Meisterausbildung in Heidelberg 1992. „Da hieß es gleich am zweiten Tag: Holen Sie mal das BGB raus. Ich hatte damals keine Ahnung, was das ist", sagt er lachend. Das Problem hatte Joachim nicht, dafür musste er sich als Ossi mit allerlei Vorurteilen und Witzchen rumschlagen: „Ob wir hier auf den vielen neuen Straßen noch Trabi fahren und so." Lokführer oder Kosmonaut wollte er übrigens nie werden.

 

„Der ist mit unserem beliebten Fleischsalat und der Kringelwurst groß geworden", erzählt Buttgereitsenior. Die Knacker in Stocklockenoptik sind dasMarkenzeichen des hauseigenen Partyservice. Kalte Platten perfekt dekorieren wie Mutter Anette kann Joachim, das hat er bewiesen. Zurzeit ist er aber fürs Wurstmachen verantwortlich, weil zwei der zehn Angestellten krank sind. Da muss auch der Vater mit anpacken, um das Pensum zu schaffen. „Das ist wie Radfahren, das verlernt man nicht", sagt Dirk Buttgereit.

 

Während andere Menschen nach einer Kindheit zwischen Schweine- und Rinderhälften, Blutwurst und Leberkäse womöglich Berufsvegetarier geworden wären, stand für Buttgereit junior schon in Kindertagen felsenfest: „Ich wollte nichts anderes als Fleischer werden. Fleisch ist für uns ein Rohstoff wie für den Maurer Zement."

 

Als Steppke habe Joachim bereits beim Wurstschnippeln in dem seit nunmehr 55 Jahren bestehenden Familienbetrieb mitgeholfen, sagt Dirk Buttgereit, der in dritterGeneration dessenGeschicke lenkt. Seine Eltern Jürgen und Sybille Buttgereit, Tochter von Firmengründer Heinz Schlieter, hatten das Geschäft 1976 übernommen. Der Laden läuft gut, der 42-jährige „Altmeister" ist zufrieden. Und heilfroh, dass der Sohn voller Elan und neuer Erkenntnisse nicht gleich alles umkrempeln wollte. „Ist gar nicht nötig", sagt Joachim. Er hat trotzdem ein paar Ideen aus Frankfurt mitgebracht, die vielleicht eines Tages umgesetzt werden. Und was macht er, wenn er nicht am Hackklotz oder am Wolf steht? „Wakeboard fahren. Ich freue mich schon, wenn in Großbeeren die Saison beginnt." Dort düst er dann auf seinem Brett am Lift übersWasser.

 

Vom Ringelschwanz zur Kringelwurst

Fleischerei & Partyservice Buttgereit, Potsdam ...hat den richtigen Dreh raus

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Vom Ringelschwanz zur Kringelwurst

Der geschwungene Schriftzug „Fleischerei Schlieter" über der Eingangstür erinnert an vergangene Zeiten und daran, dass die Fleischerei Buttgereit ein traditionsreiches Unternehmen ist. Seit über 100 Jahren werden in diesem Haus Fleisch- und Wurstwaren hergestellt und verkauft.

 

Dirk Buttgereit, der das Geschäft im Jahr 2000 von seinem Vater übernahm, ist bereits die dritte Fleischergeneration seiner Familie in der Potsdamer Garnstraße 2. Sein Vater Jürgen Buttgereit führte das Geschäft von 1976 bis 2000, dem voran ging die Hochzeit mit einer Tochter des Metzgers Schlieter. Durchgehend seit 1887 war im Haus eine Fleischerei. Und so kommt es, dass nach wie vor zwei Namen, nämlich „Fleischerei Schlieter" und „Fleischerei & Partyservice Buttgereit", am Laden zu lesen sind.


Tradition wir groß geschrieben, nicht nur an der Fassade. Was die Kunden hier bereits vom Vater kannten, kaufen sie auch beim Sohn: Vor allem die „Kringelwurst". Jürgen Buttgereit brachte die Idee für diese Wurst aus einem Urlaub mit. Dort sah er einen solchen Kringel als Brühwurst. Diese Form würde sich auch für Knacker eignen, „denn die sind hier bei uns sehr beliebt", erklärt sein Sohn Dirk Buttgereit. Zweimal wöchentlich kommen die Kringelwürste frisch aus dem Rauch. „Andere beliebte Produkte sind Hackepeter, Fleischsalat, Wiener Würstchen und dann die Palette der verschiedenen frischen Aufschnittsorten", sagt Dirk Buttgereit. Neben dem eigentlichen Verkauf über den Tresen bietet die Fleischerei einen Imbiss mit Mittagstisch an.

 

Zum Imbissangebot gehören zum Beispiel belegte Brötchen, heiße Würstchen, Schnitzel und Kaffee. Ab 11.30 Uhr gibt es drei Mittagsgerichte und einen Eintopf bzw. eine Suppe: „Das sind klassische Gerichte wie Kohlrouladen, Sauerbraten, geschmorte Rippchen", sagt Dirk Buttgereit. „Der Speiseplan richtet sich oft nach unserem Angebot. Haben wir mal Hackfleisch im Überhang, machen wir eben einen Hackbraten, haben wir viel Rücken, dann gibt es Schnitzel." Die Mittagsgerichte mit Fleisch kosten zwischen 3,25 und 3,75 Euro. „Die Schmerzgrenze liegt bei 4 Euro", meint Dirk Buttgereit.


Neben dem Tagesgeschäft ist zweimal in der Woche ein Verkaufswagen unterwegs. Dann gibt es auf einem Markt in Potsdam und einem in Berlin frische Wurst vom Fleischer. „Die Idee mit dem mobilen Verkaufsstand wurde ein wenig aus der Not geboren", erinnert sich Dirk Buttgereit: „Zwischen 1994 und 1998 ging bei uns im Laden der Absatz zurück, in der Umgebung wurde sehr viel gebaut, viele Wohnungen standen wegen Sanierungsbedarf leer. Die Leute zogen weg. Die Einbußen konnten wir mit dem Verkaufswagen etwas abfangen." Heute ist er mit dem Standort „super zufrieden", sagt er. Sein Laden liegt etwa 300 m vom Zentrum des Potsdamer Stadtteils Babelsberg entfernt. Babelsberg sei eine gute Wohngegend geworden. Den Anteil seiner Stammkundschaft schätzt er auf 90 Prozent, das Durchschnittsalter liege bei etwa 50 Jahren.

 

Potsdamer Partyklassiker

Ein weiteres Standbein seiner Fleischerei ist der Partyservice. Hier seien es vor allem die Klassiker wie Kassler im Brotteig, Spanferkel, Krustenbraten, die nachgefragt werden. „Wenn jemand Kalbsbäckchen möchte, machen wir das natürlich auch gern, schön geschmort, in Soße, dann stampfen wir nach Kartoffeln dazu", schwärmt er, „warum soll man das nur im Restaurant essen?".

In seiner Fleischerei arbeiten neben ihm und seiner Frau 10 Angestellte, davon drei in der Wurstproduktion. Auch sein 21 Jahre alter Sohn, der kürzlich als Jüngster seinen Meisterbrief der Frankfurter Fleischerfachschule erhalten hat, arbeitet in der Produktion mit. „Wenn es aber vorn im Laden „brennt", hat er nicht am Nachmittag noch nicht Feierabend", sagt Dirk Buttgereit. Er selbst arbeitet vorn im Laden. So entgehen ihm weder Kritik noch Lob der Kunden. „Allerdings", so schätzt er, „wird mehr gelobt als getadelt." Auch „hinten" in der Produktion weiß er Bescheid: Zum Beispiel nimmt er morgens die Waren an. „Geschlachtet wurde hier noch nie, wir zerlegen selbst", sagt er und ergänzt „man kann sagen, etwa 20 Schweinehälften, auch Rinderviertel." Im Laden seien etwa 75% der Wurst und 50 % der Salate aus eigener Produktion. Produkte aus und mit Geflügel kaufe er zu, außerdem Artikel, die nicht in großen Mengen umgesetzt, aber doch ab und zu nachgefragt werden, zum Beispiel ungarische Salami und gefüllte Filets. Heike Sievers